Spielereien mit der Abstimmanzeigeröhre EM84
Die Lichtorgel unserer Vorfahren
Aus Beständen der ehemaligen NVA (Nationale Volks Armee) der DDR fielen mir einige jungfräuliche Abstimmanzeigeröhren
EM84 in die Hände. Obwohl sie alle den Stempel "NVA" trugen, sollten sie doch wohl auch für zivile Zwecke nutzbar sein.
Aber erst mußte geprüft werden, ob die alten Damen noch gut funktionierten. Es mußte ein Prüfgerät her. Da ich mir ein teures
Röhrenprüfgerät nicht leisten kann sollten sich die Röhren selber prüfen, eine Anzeige war ja schließlich in jeder EM84
bereits vorhanden.
Für alle folgenden Schaltungen wird eine Heizspannung von 6,3V bei etwa 210mA für die EM84 verwendet. Bitte beachten sie die
Sicherheitsbestimmungen beim Umgang mit Hochspannung. Der Nachbau dieser Schaltungen geschieht auf eigene Gefahr.
EM84 Tester:
Die EM84 stellt im Prinzip eine Doppeltriode mit gemeinsamer Kathode dar. Damit läßt sich vortrefflich ein astabiler
Multivibrator bauen, bei dem die zweite Triode gleichzeitig die Anzeige des Zustandes des Multivibrators übernimmt.
Mit der gezeigten Dimensionierung arbeitet die Schaltung bereits ab 30V Anodenspannung, wobei die Helligkeit der
Leuchtbalken hier gerade erkennbar wird. Bei 250V Anodenspannung ist die Stromaufnahme nur 1,2 mA.
Klicken auf das Foto (rechts) startet ein Video welches den Multivibrator in Betrieb zeigt (AVI-Format, 2,2 MB).
Die Schaltung ist eine Idee von Jürgen (TipFox) aus der Interessengemeinschaft Funk-Technik-Freunde.
EM84 Kennliniendarstellung:
Mit einfachsten Mitteln sollte die EM84 ihre Kennlinie auf den Leuchtbalken darstellen. Eine pompöse Darstellung
nach Art eines X/Y-Schreibers ist natürlich nicht machbar, aber die Anzeige einer Treppenspannung läßt zumindest erahnen,
wie die EM84 funktioniert.
Das Bild oben rechts entstand bei einer Anodenspannung von 150V.
Ein Treppenspannungsgenerator ist mit einem CD4060 und einem OPV schnell aufgebaut. Der CD4060 arbeitet als R/C-Oszillator
und als Binärzähler. Die Binärzahl wird auf eine Addierschaltung mit einem OPV gegeben und schon ist die negative
Treppenspannung am Steuergitter der EM84 fertig.
Anzumerken ist noch, daß die Röhrenheizung, die Betriebsspannung des CD4060 und die positive Betriebsspannung des OPV
gemeinsam mit 6,3V Gleichspannung erfolgen. Die negative Betriebsspannung des OPV ist mit -15V etwas zu gering, um die
Balken der EM84 vollständig zu schließen.
Ein Binärzähler 23 ist völlig ausreichend. Bei einem Zähler 24 sind die Übergänge von einer
Treppenstufe zur nächsten nicht mehr gut zu erkennen.
EM84 VU-Meter:
Diese Schaltung ist ein bekanntes Einsatzgebiet der EM84. Sie dient der Anzeige des Ausgangspegels von NF-Verstärkern
und der Austeuerung bei Aufnahme in Tonbandgeräten.
Die Entwickler der EM84 haben großen Wert auf eine saubere Röhrenkennlinie gelegt. Ein Auszug
aus dem Original-Datenblatt von Philips zeigt sehr schön den logarithmischen Verlauf im Bereich der Gitterspannung von
0V (Leuchtbalken sind weit auseinander) bis -22V (Leuchtbalken berühren sich). Im Bereich kleiner Eingangsspannungen
sind Eingangsspannungsänderungen gut zu sehen. Im Bereich großer Eingangsspannungen führt die gleiche Änderung nur zu
geringer Längenänderung der Leuchtbalken.
Die Dioden D1 und D2 arbeiten in Spannungsverdopplerschaltung. Eine Sinusspannung von 8Veff reicht aus, um
die Anzeige voll auszusteuern.
Eine ähnliche Schaltung mit Einweg-Gleichrichtung verwende ich in meinem Eigenbau-Stereoverstärker.
Für Röhrenfetischisten gibt es natürlich auch eine Version ohne Halbleiterdioden. Die EAA91 ist eine Zweifachdiode und
tritt einfach an die Stelle der beiden Halbleiterdioden. Das erkauft man sich mit zusätzlichen 300mA Stromverbrauch für
die Heizung der EAA91. Bei 0V Eingangsspannung geht die Ausgangsspannung der Spannungsverdopplerschaltung
nicht auf 0V zurück. Es bleibt eine geringe Spannung von etwa -0,95V bestehen, welche dazu führt, daß die Balken der
EM84 nicht vollständig geöffnet sind. Das sind immerhin jeweils 2mm je Balken, die für den effektiven Anzeigebereich
nicht mehr zur Verfügung stehen. Von diesen -0,95V gehen -0,57V auf die durch Gitterstrom durch R2 verursachte
Spannung, die restlichen -0,38V steuert die EAA91 bei.
EM84 und Glimmlampenkippschwingung:
Mit einer EM84 sollte der Spannungsverlauf am Kondensator eines einfachen Glimmlampen-Kippschwingers dargestellt werden.
Für diese Aufgabe wird nur die Anzeige der EM84 benötigt, die Anode und das Gitter der Triode werden auf 0V gelegt.
Eine gerade vorhandene Glimmlampe GLE 26/20 des VEB NARVA Cursdorf wurde als aktives Element zur Schwingungserzeugung genutzt.
Mit der im Schaltbild gezeigten Dimensionierung ergibt sich eine Schwingfrequenz von etwa 2Hz. Durch Anklicken des rechts
stehenden Bildes wird ein Video geladen (AVI-Format, 1,1MB). Sehr schön zu sehen ist der schnelle Spannungszusammenbruch
beim Zünden der Glimmlampe und das sich anschließende langsame Aufladen des Kondensators bis zur erneuten Zündung.
EM84 Solarmodulausrichter:
Durch die hohe abgegebene Spannung von Solarmodulen ist es einfach, diese mit einer Anzeigeröhre EM84 darzustellen.
Ein beliebiges Voltmeter tut es natürlich auch.
Aber warum einfach, wenn es auch kompliziert geht?
EM84 Feldstärkeindikator:
Zum optischen Nachweis abgestrahlter HF-Leistung im Nahbereich von Sendern eignet sich diese kleine Schaltung.
Nur noch eine behelfsmäßige kurze Antenne an die BNC-Buchse angeschlossen und schon wackelt die Anzeige der EM84 schön
(und lautlos) im Takt der gesendeten Telegrafiezeichen. Die gezeigte Schaltung arbeitet bis weit in den
UKW-Bereich hinein. Ein Handfunkgerät mit einer Ausgangsleistung von 1W im 70cm-Band ergab bei 1m Abstand zur Antenne
des Feldstärkeindikators etwa 2/3 Vollausschlag der Anzeige.
EM84 Schwebungsnulldetektor:
Manchmal steht man vor dem Problem, zwei Frequenzen exakt zu vergleichen. Mit "exakt" ist hier die Abweichung von kleiner
als 1Hz gemeint. Das ist mit einem gewöhnlichen Zählfrequenzmesser nicht mehr machbar.
Zwei Frequenzen gehörmäßig in Übereinstimmung zu bringen scheitert einfach daran, daß das menschliche Ohr nur eine
endliche untere Grenzfrequenz hat. Das Problem ist seit langem bekannt. Findige Köpfe haben deshalb das Prinzip des
Nachweises von Frequenzgleichheit mit Hilfe der Schwebung entwickelt.
Das durch Anklicken des rechts stehenden Bildes gezeigte Video (AVI, 2,2MB) zeigt die Schwebung zweier sinusförmiger
Spannungen von 8Veff mit der Frequenz von jeweils 30kHz. Für eine kurze Zeit läßt sich ein Stillstand der pulsierenden
Balken der EM84 erreichen. Dann herrscht Frequenzgleichheit. Durch Driftvorgänge in den Oszillatoren der
Frequenzgeneratoren ist dieser Zustand nicht über längere Zeit aufrecht zu erhalten.
EM84 Absorptionsfrequenzmesser:
Nein, das ist kein Grid-Dip-Meter. Oder doch?
Ich verstehe unter dem Begriff Grid-Dip-Meter nur Schaltungen, die auch einen aktiven Oszillator enthalten.
Mit der links abgebildeten Schaltung läßt sich das Schwingen von Oszillatoren im HF-Bereich nachweisen, eine
Resonanzmessung von passiven Schwingkreisen ist damit nicht möglich. Sie arbeitet bis zu Frequenzen von 30MHz problemlos,
ist jedoch etwas geizig in der Anzeige der Leuchtbalken. Ohne Signal sind die Leuchtbalken 2mm lang. Mein Transistor-Dipmeter
in 4cm Entfernung von L1 erbrachte gerade einmal Leuchtbalken von jeweils 6mm Länge im Resonanzfall.
EM84 Impedanzmeßbrücke:
So einfach kann eine Impedanzmeßbrücke sein.
Mit der gezeigten Dimensionierung lassen sich im Bereich 1 ohmsche Widerstände zwischen 100 Ohm und 10k Ohm messen. Im Bereich 2
sind das 10k Ohm bis 1M Ohm. Da die Meßbrücke mit einer 50Hz Wechselspannung gespeist wird, lassen sich auch Kondensatoren und
Induktivitäten bestimmen. Der Bereich 3 ist für Kondensatoren von 1nF bis 100nF brauchbar und im Bereich 4 können Induktivitäten
von 100µH bis 10mH gemessen werden. Zuvor ist in einem Widerstandsbereich die Skala von R3 an Hand von bekannten
Widerständen aufzunehmen.
Das Einstellen des Minimums der Brückenspannung mit R3 ist nicht sehr scharf, genügt aber, um die in der Werkstatt
herumliegenden Widerstände zu bestimmen.
EM84 Sinusgenerator:
Mit dem Triodensystem der EM84 läßt sich ein einfacher NF-Sinusgenerator bauen. Als Induktivität dient ein zufällig
vorhandener Netztransformator mit 2x 115V auf der Primärseite. Dessen Induktivität ergab mit einem parallel geschalteten
Kondensator von 470nF eine Resonanzfrequenz von 18Hz. Der Sinus liegt am Ausgang mit 0,77Veff an und ist von bemerkenswert
hoher Qualität. Leider ist der Ausgang nur hochohmig belastbar. Beim Anschluß eines niederohmigen Köpfhörers setzen die
Schwingungen sofort aus.
Um diesen Zustand sichtbar zu machen wird der Anzeigeteil der EM84 genutzt. Bei 18Hz flimmern die Balken der EM84 recht
deutlich.
EM84 Audionschaltungen:
Nun soll die EM84 auf ihre Tauglichkeit für ein einfaches Mittelwellen-Audion untersucht werden. Große Erwartungen hatte
ich nicht, denn das eigentliche Audion ist nur mit der Triode der EM84 zu realisieren.
Die Datenblätter halten sich leider vornehm zurück mit Angaben zur Verstärkung des Triodenteils. So mußte wieder
experimentiert werden. Einfach ist es, die Rückkopplung über eine Rückkopplungsspule zu machen, deren Kopplungsgrad zur
Schwingkreisspule durch Veränderung des Abstandes dieser Spulen erfolgt.
Die Schwingkreisspule L1 besteht aus 60Wdg. HF-Litze auf einem Ferritstab 10mm x 160mm, die Rückkopplungsspule L2 hat
40Wdg. HF-Litze und ist auf dem Ferritstab verschiebbar. Bei richtiger Polung von L2 gehen die Leuchtbalken der EM84
beim Annähern von L1 und L2 aufeinander zu, bei falscher Polung erfolgt keine Reaktion der Leuchtbalken.
Die Erprobung in den Abendstunden erbrachte immerhin 12 verschiedene Sender aus ganz Europa in einem Walkman-Kopfhörer
und erfolgte mit einer 5m langen Drahtantenne im Zimmer. Diese Antenne wird direkt am heißen Ende des Schwingkreises
(dort wo C2, C3 und L1 zusammentreffen) angeschlossen. Bei einer längeren Antenne muß man eine Anzapfung des
Schwingkreises ausprobieren, sonst ist das Audion nicht mehr bis zum Schwingeinsatz zu bringen. Als Gegengewicht (Erde)
verwendete ich das Rohr der Zentralheizung. Mit der Ferritantenne allein konnte ich keinen Sender empfangen.
Audion Nr.1 liefert etwas mehr Lautstärke, jedoch nur geringe Änderungen der Abstände der Leuchtbalken der EM84
beim Abstimmen auf einen Sender durch den geringen ohmschen Widerstand der Primärwicklung von Tr1 mit nur 14,8k Ohm.
Dieser stellt den Arbeitswiderstand des Triodensystems dar. An ihm fällt die Steuerspannung für die Steuerelektrode
des Anzeigesystems ab.
Audion Nr.2 reagiert gut sichtbar beim Abstimmen auf einen Sender. Der Wert des Anodenwiderstandes R2 von 220k Ohm
ist ein Kompromiß zwischen NF-Lautstärke und Anzeige-Empfindlichkeit der Leuchtbalken. Mit 470K Ohm für R2 steigt die
Anzeige-Empfindlichkeit, die NF-Lautstärke sinkt aber spürbar ab. Noch etwas mehr Lautstärke bringen die Erhöhung der
Anodenspannung auf 250V oder der brutale Anschluß eines Kristall-Ohrhörers parallel zur Primärwicklung des
Ausgangsübertragers.
EM84 SWR-Brücke:
Eine Stehwellenmeßbrücke liefert gewöhnlich eine Gleichspannung für die hinlaufende Welle und eine weitere
Gleichspannung für die rücklaufende Welle. Mittels Umschalter kann man sich die beiden Spannungen auf einem
Zeigermeßgerät nacheinander anzeigen lassen und aus den angezeigten Werten das Stehwellenverhältnis berechnen.
Luxusversionen benutzen dazu einen Mikrocontroller.
Wie wäre es, wenn man die hinlaufende Welle als negative Spannung und die rücklaufende Welle als positive Spannung
gleichzeitig auf das Steuergitter der EM84 gibt? Es wird sich eine resultierende Spannung einstellen, deren Höhe die
Länge der Leuchtbalken bestimmt. Beachte die unterschiedlichen Polungen der Dioden D1 und D2 im Gegensatz zur
bekannten "Stockton-Bridge".
Diese Schaltung habe ich noch nicht aufgebaut und getestet.
EM84 Detektor für elektrostatische Felder:
Das ist die wohl ungewöhnlichste und auch spektakulärste Schaltung mit einem magischen Auge EM84.
Sie besteht nur aus der Röhre selbst und einem Anodenwiderstand für das Triodensystem.
Die Röhre wird ohne Gitterwiderstand außerhalb der Vorgaben des Datenblattes betrieben. Das macht das Steuergitter extrem
hochohmig. Die Schaltung reagiert schon auf geringste Änderungen des elektrischen Feldes in ihrer Umgebung. Ein Video (
2,8MB, AVI-Format) gibt es durch Anklicken des rechts stehenden Bildes. Es wurde mit etwa 25cm Abstand der Kamera von
der Röhre aufgenommen. Der elektrostatisch aufgeladene Kunststoffstab (ein als ANTISTATIC gekennzeichnetes IC-Stangenmagazin)
wird in etwa 15cm Abstand von der Röhre bewegt. Genau so gut eignet sich ein 30cm langes Kunststofflineal aus Plexiglas
oder ein Stück einer PVC-Gardinenstange.
Wird der Kunststoffstab in 1m Entfernung von der Röhre kräftig mit einem Wolltuch gerieben erfolgt bereits eine Anzeige
auf dem Leuchtschirm.
Ältere gebrauchte Röhren haben oftmals einen verschmutzten Sockel, dessen Oberflächenwiderstand niedrig ist.
Eine Reinigung mit Spiritus oder Leiterplattenreiniger erhöht die Empfindlichkeit des Indikators für das elektrostatische
Feld spürbar.