Ein SDR vom Gemüsehändler
SDR = Software Defined Radio
In den letzten Wochen konnte der interessierte Internet-Leser erfahren, daß mit einem preiswerten DVB-T USB-Stick ein
SDR für den Frequenzbereich von 64 MHz ... 1700 MHz allein durch die Verwendung passender Software realisiert werden
kann.
Damit soll es möglich sein, Sendungen in AM, WFM, NFM, SSB und CW zu demodulieren.
Schon immer war ich gezwungen, bei meinen wöchentlichen Obst- und Gemüseeinkäufen beim Lebensmittel-Discounter
an den Regalen mit Billig-Elektronik vorbei zu laufen, bevor man an die Gemüsekisten gelangt.
Vor einigen Tagen nun habe ich mir das dort vorhandene Sortiment genauer angeschaut und entdeckte einige
bereits leicht angestaubte blisterverpackte Hama USB DVB-T Empfänger "Nano", Artikel-Nummer 00053330. Für wenig Geld
habe ich einen davon gekauft.
  Eigenschaften laut Verpackung: |   Meine Gedanken dazu: |
---|---|
  Anschluss 1: USB-A-Stecker |   OK, das ist eine brauchbare Information |
  Anschluss 2: Coax Stecker MCX |   gut zu wissen, Adapter auf 75 Ohm TV-Kabel liegt bei |
  Ausführung: Digital |   gibt es auch eine Ausführung: Analog ? |
  Außenmaß Breite: 1,7 cm |   nachgemessen: ohne Gummi nur 15,3 mm |
  Außenmaß Höhe: 0,9 cm |   nachgemessen: ohne Gummi nur 7,7 mm |
  Außenmaß Tiefe: 3,1 cm |   nachgemessen: ohne Gummi nur 30,5 mm |
  Gewicht: 5 gr |   wichtige Angabe, damit man sich beim Heben nicht die Bandscheiben beschädigt |
  Stromversorgung: USB-Anschluss |   fein! |
  Chipsatz: Realtek RTL2832U |   zu einem Satz gehören doch wohl immer mindestens zwei ... |
  Frequenzband: VHF; UHF |   aha! gute Vorab-Information |
  Frequenzbereich: 48 - 860 MHz |   um nun konkret zu werden ... |
Zu Hause angekommen wurde erst einmal getestet, was der Stick bei seinem bestimmungsgemäßen Gebrauch als
digitaler DVB-T Emfänger für Fernsehempfang leistet. Der nächste DVB-T Sender ist etwa 18 km entfernt. Es besteht
keine direkte Sichtverbindung zum Sender wegen Bebauung in der Nachbarschaft. Mit der
mitgelieferten Magnetfuß-Stabantenne hatte ich keinen Fernseh-Empfang. Erst ein Dipol an der dem Sender zugewandten Außenseite
des Hauses brachte magere 12 öffentlich-rechtliche Sender, das zu erwartende vollständige DVB-T Bukett. Im Haus war auch mit
dem Dipol kein Empfang mehr möglich. Die Stabantenne habe ich vom Koaxialkabel kurzerhand abgeschnitten und durch eine
BNC-Kupplung ersetzt.
Hama Nano Größenvergleich |
Daten auf der Verpackung |
Versuch einer Antenne |
BNC-Kabel für Antennenanschluß |
Empfangsdipol für DVB-T |
Nach diesem Test wurde die mitgelieferte umfangreiche DVB-T Software wieder vom PC entfernt.
Für einen gewöhnlichen Fernsehkonsumenten wäre hier das Abenteuer DVB-T mit einer Fehlinvestition in den USB DVB-T Stick
"Hama Nano" zu Ende. Aber es gibt intelligente Programm-Entwickler auf dieser Welt, die aus den von chinesischen
Frauenhänden fleißig zusammengelöteten Elektronikplatinen für technisch interessierte Menschen etwas Brauchbares machen.
Eines dieser tollen Programme ist SDR#, oder auch "SDR sharp" genannt.
Die Hardware eines Hama Nano
Der niedrige Preis des Hama Nano DVB-T USB-Stick ermutigte mich, in diesen einmal hineinzuschauen.
Anleitung für Rechtshänder:
- Entferne den Gummi.
- Fasse den Blechmantel des Stick mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand so, daß die schwarze Blende der
Antennenbuchse nach links zeigt und sich frei bewegen kann.
- Mit einem Uhrmacher-Schraubendreher der kleineren Sorte werden nun die vier von außen sichtbaren schwarzen
Verriegelungszapfen nacheinander wenige Zehntel Millimeter nach innen gedrückt und
gleichzeitig etwas in Richtung der schwarzen Frontblende geschoben.
- Nach einigem Drücken mit Gefühl, wenn alle schwarzen Zapfen in ihren Löchern abgetaucht sind und die schwarze
Frontblende bereits etwas nach außen gewandert ist, läßt sich dann das komplette Innenleben an der Frontblende
vorsichtig aus dem Metallgehäuse ziehen.
Öffnen mit Geduld und viel Gefühl |
Gehäuse demontiert |
Kunststoffrahmen als Platzhalter |
Tuner-Chip E4000 und RTL2832U |
Leiterplatte Kehrseite |
Gut zu erkennen sind die beiden Schaltkreise: der Elonics E4000 Tuner, der Realtek RTL2832U als DVB-T COFDM
Demodulator mit Unterstützung eines USB 2.0 Interfaces und auch der 28,8 MHz Quarzoszillator.
Nach dem kurzen Ausflug in die Empfänger-Eingeweide konnte der Hama Nano wieder zusammengesetzt werden.
Bei der Betrachtung dieses kleinen Wunderwerkes der Technik schossen mir doch etliche Gedanken durch den Kopf:
Als Kind hatte ich meine Bauelemente-Quelle auf der örtlichen Müllkippe. Dort entsorgte Radios wurden von mir auf dem
Gepäckträger des Fahrrades nach Hause transportiert und sorgsam demontiert. So entstand ein Bauelemente-Lager
von Röhren, Kondensatoren, Widerständen, Spulen und Transformatoren, mit denen ich meine ersten Bastelobjekte
aufgebaut habe.
Heute redet man von EMV und ROHS. Zwischen "Bastler" und "Industrie" scheint niemand mehr einen Unterschied zu erkennen.
Bastel-Lösungen der "Industrie" (zum Beispiel PLC / Power Line Communication) gibt es genau so wie von engagierten
"Bastlern" gebaute technisch höchst anspruchsvolle Kommunikationseinrichtungen (zum Beispiel Amateurfunk-Sateliten).
Jugendliche, die ein altes Radio bei der örtlichen Sperrmüllsammlung vom Straßenrand "entführen" um es zu Hause in
Vaters Werkstatt aus technischem Interesse zu schlachten, werden jetzt als Diebe bezeichnet und in den Medien jammert
man gleichzeitig über fehlenden Nachwuchs in den technischen Berufen. Aber lassen wir das Thema ...
Die Entwicklung schreitet voran.
Jetzt kann man einen SDR (einen kompletten Empfänger, z.B. den Hama Nano DVB-T Stick) als ein Bauelement betrachten.
Das ermöglicht eine völlig andere Herangehensweise an Empfänger-Konzepte.
Wie bekomme ich nun diesen DVB-T USB-Stick als SDR-Empfänger zum Laufen ?
Ich will hier nicht in aller Ausführlichkeit wiederholen, was Andere in den letzten Wochen vor mir bereits besser
beschrieben und untersucht haben.
Auf meinem preiswerten PC mit Intel Atom CPU D425 mit 1,8GHz Taktfrequenz und 2GB RAM hat es so funktioniert:
Software SDR# unter Windows XP
- In der Systemsteuerung nachschauen ob auf dem PC mindestens .NET Framework 3.5 installiert ist.
Wenn nicht: installieren. - Die Installationsanleitung http://rtlsdr.org/softwarewindows öffnen und aufmerksam lesen.
- Hama Nano USB DVB-T Stick in eine USB-Buchse stecken.
Dieser Steckplatz muß auch später für SDR# immer wieder verwendet werden. - Die neueste Version des ZADIG Treibers von http://sourceforge.net/projects/libwdi/files/zadig/ herunterladen und
den WinUSB Driver installieren.
- Hama Nano USB DVB-T Stick aus der USB-Buchse entfernen.
- Ein Verzeichnis "SDR" anlegen.
- SDR# DEV von http://sdrsharp.com/index.php/downloads herunterladen und entpacken.
Alle entpackten Dateien ins Verzeichnis "SDR" kopieren. - SDR# RTLSDR Plugin von http://sdrsharp.com/index.php/downloads herunterladen und entpacken.
Ebenfalls alle entpackten Dateien ins Verzeichnis "SDR" kopieren. - Datei http://sdr.osmocom.org/trac/attachment/wiki/rtl-sdr/RelWithDebInfo.zip herunterladen und entpacken.
Dateien rtlsdr.dll und libusb-1.0.dll aus dem x32-Verzeichnis in das Verzeichnis "SDR" kopieren. - Mit einem Texteditor die Datei SDRSharp.exe.Config öffnen und die Zeile
<!-- <add key="RTL-SDR / USB" value="SDRSharp.RTLSDR.RtlSdrIO,SDRSharp.RTLSDR" /> -->
ändern in
<add key="RTL-SDR / USB" value="SDRSharp.RTLSDR.RtlSdrIO,SDRSharp.RTLSDR" /> - Textdatei speichern.
- PC neu starten.
- Hama Nano USB DVB-T Stick in die USB-Buchse stecken.
- Eine geeignete Antenne an den DVB-T Stick anschließen.
- Datei SDRSharp.exe aus diesem Verzeichnis starten.
- Frontend auf RTL / USB stellen, WFM wählen und auf Play klicken.
Das Verzeichnis für die Version 532 von SDRsharp sollte nun folgenden Inhalt haben:
Unterverzeichnis config - benutze ich nicht. Hier liegt eine bereits editierte Version der SDRSharp.exe.Config.
Man kann diese in das übergeordnete Verzeichnis kopieren und spart sich damit das eigene Editieren der SDRSharp.exe.Config.
Verschiedene benötigte DLL und SDRSharp.exe als ausführbare Datei.
Die Datei frequencies.xml, die die abgespeicherten Frequenzen und Sendernamen des Frequenzmanagers enthält.
Die Entwickler von SDRSharp sind recht aktiv und stellen fast täglich weiterentwickelte Software-Versionen zum Download
bereit. Der im Bild gezeigte Inhalt des Verzeichnisses kann sich also mit der nächsten Version von SDRSharp schon wieder
geändert haben.
Es lohnt sich meist, aller zwei Wochen auf der Homepage von SDRSharp vorbeizuschauen und den neuesten Stand der
Software zu installieren.
Nach dem Start von SDRsharp.exe machte ich erste Empfangsversuche im UKW Rundfunkband. Mit einem gestreckten Dipol im
Zimmer konnte ich viele deutsche und einige tschechische UKW Rundfunksender empfangen.
Das hatte ich nach der Erfahrung mit dem Hama Nano als DVB-T Empfänger nun doch nicht erwartet. Voller Hoffnung schloß ich meine auf dem Dach befindliche 6-Element Yagi für das 2 m Band an den Hama Nano an. Das folgende Bild zeigt ein erstaunliche Resultat, das komplette 2 m Band der Funkamateure auf einen Blick.
Links beginnend erscheint die fünfte Oberwelle des 28,8 MHz Quarzoszillators aus dem Stick. Diese liegt genau auf
144,000 MHz - ein prima Indikator für den Anfang des 2 m Bandes.
Als nächstes Signal finden wir eine schwache CQ rufende Station aus Frankreich in SSB, meine Antenne stand nach Süden.
Rechts davon (weiter oberhalb) arbeitet eine Station aus Sachsen in der Betriebsart WSJT.
In der Mitte des Spektrums erscheint der typische Träger des lokalen Oszillators - bei diesem Empfängerprinzip
unvermeidlich, aber durch geschickte mathematische Berechnungen sehr gut zu minimieren.
Am rechten Rand des Spektrums erscheinen dann im Wasserfalldiagramm zwei FM-Relais und als kleine Zugabe ganz rechts
auch der zufällig vorbeifliegende und gerade sendende Satellit Amsat Oscar 7.
UKW-Ausbreitungen im Wasserfall-Diagramm
Die folgenden Wasserfall-Diagramme stellen jeweils den 2 MHz breiten Anfang des UKW-Rundfunkbandes von 87,5 bis 89,5 MHz
dar. Als Antenne diente immer die gleiche vertikal angeordnete Autoantenne im Fenster des nach Süden zeigenden Balkons.
So wird eine Vergleichbarkeit der Diagramme möglich.
Die Diagramme sind im Sommer und Herbst 2014 mit geringster möglicher Geschwindigkeit in SDR# aufgenommen worden.
Normale Ausbreitungsbedingungen
Typische "Saure-Gurken-Zeit" - es ist nix los!
Kein Tropo, kein Meteorscatter, kein Aurora und auch kein Sporadic E.
Möglicherweise ist das 37 MHz tiefer liegende 6m-Band geöffnet, mit hoher Warscheinlichkeit ist es jedoch geschlossen.
Es sind nur die Ortssender des UKW-Rundfunkbandes im Bereich von 87,5 bis 89,5 MHz zu sehen.
Der UKW-Funkamateur kann getrost einem anderen Hobby nachgehen ohne etwas Wesentliches zu verpassen.
Troposphärische Überreichweiten
Hier tut sich etwas!
Durch troposhärisch bedingte Überreichweiten werden die sonst als leer dargestellten
Frequenzen mit Sendern aus dem weiteren Umfeld belegt.
Es könnte sich lohnen, auf dem 2 m und dem 70 cm Band nach Amateurfunk-Stationen Ausschau zu halten.
Die neu aufgetretenen Linien im Wasserfall-Diagramm gehören zu UKW-Rundfunksendern aus Tschechien und Polen.
Meteorscatter
Hier sieht man die kurzzeitigen Empfangsmöglichkeiten entfernter UKW-Rundfunksender an den Spuren verglühender Meteoriten.
Man erkennt die Reflektionen von 3 Sendern an 4 Meteoriten.
Überreichweiten durch Sporadic E (Es)
Es brodelt in der E-Schicht.
Rundfunksender aus Spanien und Portugal erzeugten dieses unruhige Wasserfall-Diagramm.
Das 6 m Band ist garantiert in diese Richtung offen und es besteht hohe Wahrscheinlichkeit, daß es auch im 2 m Band
nach Spanien oder Portugal gehen könnte.
Störungen durch Gewitter
Höchste Zeit, die Antennen zu erden.
Waagerechte Linien über den gesamten Frequenzbereich und Kratzen im Empfänger
zeigen, daß die Blitze schon recht nahe sind.
Erkenntnisse
Für wenig Geld bekommt man beim Kauf eines Hama Nano DVB-T USB Stick einen brauchbaren SDR-Empfänger mit hoher
Eingangsempfindlichkeit, der dem Empfangsamateur bei Nutzung geeigneter Antennen den Bereich von 64 MHz bis 860 MHz mit
allen dort angesiedelten Funkdiensten
erschließt. Zur Zeit ist mit dem kostenlosen und sehr gut funktionierenden Programm SDRSharp die Demodulation
vieler Modulationsarten möglich, weitere werden sicher in Zukunft hinzu kommen.
Wegen fehlender Selektion am Eingang des E4000 führen höhere Feldstärken im Empfangsbereich zu Übersteuerungseffekten -
auch bei ausgeschalteter AGC.
Ein möglichst leistungsfähiger PC erlaubt die Verwendung höherer Abtastraten und die Darstellung feinster Einzelheiten.
Der Empfang der Lang-, Mittel- und Kurzwelle sowie des 6m-Bandes erfordert einen separaten Up-Konverter.
Links
Handbuch zur Bedienung von SDR#.
Referenzschaltbild für den Elonics Tuner IC E4000.
Bei Osmocom läuft ein interessantes Hardware-Projekt, dokumentiert mit interessanten Schaltplänen und Quelltext der Software.
Gedanken zum FunCube Dongle und zu SDR.
Anleitung zur Installation des Treibers und der SDR# Software unter Windows XP und Windows 7.
Ein einfacher Up-Converter , der den Kurzwellenbereich von ca. 1 ... 60 MHz in den Bereich von 101 ... 160 MHz umsetzt.
Messungen zu den HF-Eigenschaften des Elonics Tuner-IC E4000 führte SM5BSZ durch.
Weitere Links findet man bei Michael Knietzsch.