Ein Mittelwellensuperhet mit D-Röhren
Spät - aber nicht zu spät
Im vergangenen Urlaub habe ich seit langer Zeit wieder einmal über den Mittelwellenbereich meines Reiseempfängers gedreht.
Es war tagsüber genau ein (1) Sender in annehmbarer Lautstärke zu hören. Wo sind sie denn alle hin - die Mittelwellensender,
die sich in früheren Jahren eng an eng diesen Frequenzbereich teilten?
Nach einem Beschluss der Europäischen Kommission sollte der AM-Rundfunk bis Anfang 2012 abgeschaltet werden.
Dennoch senden einige Mittelwellensender in AM weiter, da sich der geplante technische Nachfolger DRM als Flop erwies.
In Deutschland laufen die Frequenzzuteilungen für den AM-Rundfunk noch bis zum 31. Dezember 2015 weiter.
Da könnte man doch für die verbleibenden Jahre noch mal etwas basteln ...
Als Beute einiger Flohmarktbesuche hatte ich einen kompletten Satz D-Röhren des Röhrenwerkes Neuhaus (RWN) für einen
Superhet-Empfänger in der Bastelkiste liegen.
Er besteht aus je einer DK96 als Mischer, einer DF96 für die ZF-Verstärkung, einer DAF96 für die AM-Gleichrichtung und
NF-Vorverstärkung sowie einer DL96 als NF-Endröhre.
Ende der 50er Jahre hatte sich bereits eine Standardschaltung für diesen Röhrensatz etabliert. Diese ist mit leichten
Modifikationen in den Geräten von RFT (6D71), Roberts (R77), Ultra Twin (R825), Vidor (CN430), Grundig (Modell 200) und
Ever Ready (Sky Prince) zu finden. Meine Schaltung beruht auf den alten Vorlagen.
Mischer und Oszillator DK96:
Der Vorkreis besteht aus der Ferritantenne L1 und dem Paket C3a des Drehkondensators. Er ist über C4 an das Gitter 1 der DK96
angekoppelt. Die Spule L1 besteht aus 44 Windungen seidenumsponnener
HF-Litze 10 x 0,05 mm. Die genaue Windungszahl ist abhängig vom verwendeten Material des Ferritstabes, dem Drehkondensator und
der Lage von L1 auf dem Ferritstab. Der Vorkreis ist durchstimmbar von 520 kHz bis 1610 kHz.
Der Oszillator mit L3 schwingt 455 kHz oberhalb der jeweiligen Empfangsfrequenz. Um das zu erreichen ist der
Kondensator C11 notwendig. Wichtig ist der (gemeinsame) Wickelsinn von L3a und L3b. Werden Anfang und Ende von L3a oder
L3b vertauscht, dann schwingt der Oszillator nicht mehr an.
An der Anode der DK96 wird die erzeugte Zwischenfrequenz im Bandfilter Fi1 ausgesiebt und dem ZF-Verstärker zugeführt.
ZF-Verstärker DF96:
Um eine hohe Güte und damit verbundene hohe Trennschärfe der Bandfilter 1 und 2 Typ 10-03.00() vom VEB HFWM
zu erreichen wurden diese umgewickelt. Sie waren ursprünglich für niederohmige Transistorstufen gedacht und enthielten
Kondensatoren von 2200 pF. Diese Kondensatoren wurden durch Styroflex-Kondensatoren 100 pF ersetzt und die Filterspulen
mit je 300 Windungen 0,1 CuL neu bewickelt. Mit den originalen Abstimmkernen (Kennfarbe: rot) und den Ferrithülsen
ergibt sich ein abstimmbarer Frequenzbereich von 400 kHz bis 700 kHz.
Der Kopplungsgrad der Filterkreise wurde durch Verdrehen der Schlitze der Ferrithülsen auf etwa 1 eingestellt.
Mit einem Wobbelgenerator ist der Abgleich des ZF-Verstärkers schnell gemacht, ein Abgleich durch Messung der Richtspannung der
Gleichrichterdiode der DAF96 (hochohmiges Gleichspannungsvoltmeter parallel zu C17) dauert etwas länger, führt aber
auch zum Ziel.
Bandfilter HFWM im Originalzustand |
Bandfilter vorbereitet zum Bewickeln |
Begrenzung des Wickelraum auf 4 mm |
je 300 Windungen 0,1 CuL von Hand gewickelt |
Bandfilter mit Ferrithülsen |
Die Ferrithülsen sind so montiert, daß sich die Schlitze gegenseitig ansehen. Das Foto rechts oben zeigt um 90° verdreht
montierte Hülsen und dient nur zur Illustration.
AM-Gleichrichter und NF-Vorstufe DAF96:
Das Diodensystem der DAF96 funktioniert als AM-Gleichrichter und stellt gleichzeitig eine von der Feldstärke des empfangenen Senders
abhängige (negative) Gleichspannung bereit. Diese wird den Steuergittern des ZF-Verstärkers und des Mischers zugeführt und
bewirkt eine automatische Regelung der Verstärkung durch Verschiebung des Arbeitspunktes der DK96 und DF96.
Bei schwachen Sendern ist die Verstärkung hoch und bei starken Sendern ist sie gering.
Das Pentodensystem dieser Röhre verstärkt die schwache nach der Diodengleichrichtung entstandene Niederfrequenz etwa
60-fach auf einen für die Ansteuerung der folgenden NF-Endstufe ausreichenden Wert.
NF-Endstufe DL96:
Laut Datenblatt liefert die DL96 bei 67 V Anodenspannung eine Ausgangsleistung von 100 mW. Ihren Außenwiderstand von 15 kOhm
muß der Ausgangstransformator Tr1 auf die 8 Ohm des Lautsprechers transformieren, was einem Übersetzungsverhältnis von
etwa 43 entspricht. Ein gerade vorhandener Mini-Netztransformator 230V/6V mit 2VA hat ein Übersetzungsverhältnis von 38
und wurde als passend angesehen. Kleinere Netztransformatoren mit nur 0,35 VA eignen sich übrigens nicht mehr für diese
Schaltung. Bei größerer Lautstärke geht der zu kleine Eisenkern in die Sättigung und führt zu Verzerrungen im Ausgangssignal.
Eine Besonderheit der NF-Endstufe stellt die Erzeugung der negativen Gittervorspannung von etwa -3,3 V für die DL96
mittels R16 dar. Über R16 fließt der Strom der Anoden und Schirmgitter aller Röhren. Er ist etwa 6,5 mA groß und erzeugt
an einem Widerstand von 510 Ohm etwa 3,3 V. Bezieht man nun das Bezugspotential 0 V des Empfängers nicht auf den
Minuspol der Anodenbatterie sondern auf die Verbindungsstelle beider Widerstände so kann man die -3,3 V mühelos erzeugen.
Gleichzeitig sinkt natürlich die für alle Stufen des Empfängers zur Verfügung stehende Anodenspannung
auf 81 V - 3,3 V = 77,7 V.
Mechanischer Aufbau:
Der Aufbau erfolgte auf einer einseitig beschichteten Leiterplatte aus Hartpapier mit den Abmessungen 100 mm x 160 mm.
Leiterplatte Layout |
Leiterplatte Bestückungsplan |
Leiterplatte Bestückung |
Versuche, die Röhrensockel aus Einzelkontakten der Firma HARWIN H3185-01 nachzubilden, verliefen trotz einer Lötlehre, bestehend aus einer elektrisch defekten Röhre, erfolglos. Spätestens beim Aufheizen der Röhren kam es zu mechanischen Spannungen zwischen den Stiften des Sockels, die zu Rissen im Glaskörper führten. Deshalb sind die Kontakte in einer Röhrenfassung für Röhren mit Preßglassockel "schwimmend" zu halten. Das haben schon unsere Vorfahren so gemacht. Ich verwendete letztlich in die Leiterplatte eingelötete Kontakte von alten Zeibina-Buchsenleisten für 1 mm Rundstifte. Über ihre Länge erfolgt ein Ausgleich der mechanischen Spannungen im Röhrensockel.
Harwin H3185-01 ungeeignet für Röhrensockel |
Zeibinaleiste als Buchsenlieferant |
Röhrenfassung selbstgemacht |
Röhre in Fassung gesteckt |
Erfahrungen:
Der Mittelwellenbereich scheint von deutschen AM-Rundfunksendern fast beräumt zu sein. Einziger am Tage auf Mittelwelle
noch zu empfangender Sender ist an meinem Wohnort der Sender Wilsdruff mit dem Programm MDR-Info. Er sendet auf
1044 kHz mit 20 kW in deutscher Sprache.
Nach Einbruch der Dunkelheit kann man nach wie vor Sender aus ganz Europa empfangen. Der Empfang wird durch
Störungen aller Art, verursacht durch diverse elektronische Geräte in der Nachbarschaft, sehr beeinträchtigt.
Eine externe Antenne, bestehend aus 1 bis 2 m Draht, verbessert den Empfang ferner Sender.
Links:
Leiterplatte in SprintLayout
Datenblatt DK96
Datenblatt DF96
Datenblatt DAF96
Datenblatt DL96