UKW-Feldstärkeänderungen durch Windkraftanlagen


Windraeder

  geheimnisvolle Geräusche im 70 cm-Band


Vom 10. bis 12.01.2009 waren in meiner Gegend troposphärisch bedingte Überreichweiten im 70 cm-Band zu verzeichnen. Wir hatten eine typische Inversionswetterlage: warme Luft glitt auf kalte, am Boden liegende Luft auf.
Der Wetterbericht meldete +6 °C auf dem Brocken im Harz und mein Außenthermometer in 315 m über dem Meeresspiegel zeigte -3 °C. Solche Überreichweiten treten hauptsächlich im Herbst und Winter auf und führen oft zu erhöhter Aktivität der Funkamateure auf den UKW-Bändern.


Inversion


Im SSB-Bereich des 70 cm-Bandes war jedoch von erhöhter Aktivität leider keine Spur. So kam ich nach vielen Jahren wieder einmal dazu über die 70 cm Relaisfrequenzen zu drehen und die Ausbreitungsbedingungen zu studieren.
Während fast alle Relais gut zu empfangen waren traten bei DB0PET (Locator: JO51XN, Petersberg nördlich von Halle) und DB0LE (Locator unbekannt, Markkleeberg bei Leipzig) merkwürdige Rauscheinbrüche auf. Das Geräusch erinnerte mich entfernt an das einer arbeitenden Waschmaschine mit rotierender Trommel.
Wenn man genau hinhört findet man unter dem groben niederfrequenten Rauschen noch ein leiseres höherfrequenteres auf- und abschwellendes Rauschen.
Beide FM-Relais liegen von Mittweida aus gesehen in Richtung 313 °.
Die Distanz zwischen Mittweida und dem Petersberg bei Halle beträgt 97,7 km.
In Richtung Petersberg befinden sich von Mittweida aus gesehen in 4,3 km Entfernung zwei Windkraftanlagen.
Die Rotorblätter der Vestas-Anlagen sind zum Blitzschutz und zur Ableitung statischer Aufladungen metallisch leitfähig.


Aber hören Sie den "Waschmaschinen-Sound" und betrachten Sie das hüpfende S-Meter selbst:

6MB Klangprobe Rauscheinbrüche Meine Vermutung war, daß die Rotorblätter der Windkraftanlagen in die erste Fresnel-Zone hinein reichen und Schwankungen der Feldstärke verursachen.

WindkraftanlageVestas V80Vestas V47
Nabenhöhe100m65m
Fundamenthöhe a.s.l.293m295m
Rotordurchmesser80m47m
Rotor U/min.20-269-19
Leistung2000kW660kW


Der Sache mußte auf den Grund gegangen werden und es entstanden zwei Skizzen zur Orientierung:

Fresnelzone


Der Radius der ersten Fresnel-Zone beträgt in diesem Beispiel in 4,3 km Abstand von der Empfangsantenne 53 m.

Da sich die Sendeantenne und die Empfangsantenne auf unterschiedlichen Höhen befinden mußte die Höhe des direkten Strahls am Ort der Windkraftanlagen berücksichtigt werden.

Berechnung der Strahlabsenkung des direkten Strahls bei ungleichen Antennenhöhen:

-h = (h1 - h2) * de / d     mit     h1 < h2

-h = (265 m - 365 m) * 4300 m / 97700 m = -2,7 m in 4,3 km Entfernung

Fresnelzone Der direkte Strahl in 4,3 km Entfernung ist demnach nur noch 325 m - 2,7 m = 322,3 m a.s.l. hoch. Er ist hier dargestellt als Anschlußpunkt der stilisierten Yagi-Empfangsantenne in der Bildmitte.
Um den direkten Strahl herum bauen sich die Fresnel-Zonen n-ter Ordnung auf.
Wie zu erkennen ist befinden sich die Rotoren beider Windkraftanlagen in der ersten und den folgenden Fresnel-Zonen.
Durch die unterschiedlichen Geschwindigkeiten der Rotoren beider Windkraftanlagen ergeben sich die vielfältigsten Kombinationen der Signalabschwächung - wie die Hörprobe zeigt.

Ein ähnlicher Effekt, jedoch auf Reflektionen beruhend, ist bereits seit dem zweiten Weltkrieg als Propeller Modulation bekannt und wurde genutzt, um Propeller-Flugzeuge in einer Düppel-Wolke mittels Radar ausfindig zu machen. Das Prinzip der Propeller Modulation wird auch zum Aufspüren und zur Klassifikation getauchter U-Boote verwendet.

Interessant wäre es zu wissen, ob die "Feldstärke-Quirle" auch den Empfang von Amateurfunksatelliten in der Betriebsart FM beeinträchtigen. Zur Zeit (Januar 2009) sind nur AO-51 und SO-50 regelmäßig in FM zu hören. Mit etwas Zeitaufwand läßt sich ein passender Satelliten-Überflug berechnen, bei dem der Satellit durch die Rotoren von Windkraftanlagen strahlt. Vom eigenen Standort weit entfernte Windkraftanlagen verkürzen den nutzbaren Winkel (und damit die Dauer), in welchem die Feldstärke des Satellitensignals durch die Rotoren beeinflußt werden kann. Da Amateurfunk-Satelliten meist nicht lagestabilisiert sind müssen hier die Feldstärkeänderungen durch die Bewegung des Satelliten selbst mit in Betracht gezogen werden.

Nachsatz vom April 2009:
Im März 2009 wurde eine von der britischen OFCOM in Auftrag gegebene technische Studie veröffentlicht mit dem Titel "RF Measurement Assessment of Potential Wind Farm Interference to Fixed Links and Scanning Telemetry Devices".
Die Studie wurde von der ERA Technology Ltd. und der Aegis Systems Ltd. angefertigt und kommt zu bemerkenswerten Ergebnissen.
Die Studie kann als PDF (2,1 MB) bei der OFCOM heruntergeladen werden.
Leider wurden die umfangreichen Messungen von ERA und Aegis im ebenen Gelände mit nur 10 m hohen Antennenmasten durchgeführt. Auch hier führt der direkte Strahl nicht durch die Rotorblätter sondern unterhalb dieser an der Windkraftanlage vorbei. Meine Skizze mit den zwei Windkraftanlagen entspricht dem Meßaufbau der OFCOM-Studie.